Flüchtlingsheim am Schützenhaus?

2015-05-28-451Es gibt Überlegungen der Stadt, am Schützenhaus in Brauweiler eine Flüchtlingsunterkunft für 250 Menschen zu errichten. Hierzu hat sich im Brauweilerblog eine Diskussion entwickelt. Wobei Diskussion eher übertrieben ist. Bisher finden sich in den Kommentaren vornehmlich Stimmen gegen diese Unterkunft.

pauschale Vorbehalte

Zunächst fällt mir auf, daß einige pauschale Vorbehalte geäußert werden. Berufsbedingt bin ich dafür sensibilisiert. Nicht pauschal bleiben, konkret werden. Das wird uns Juristen jahrelang in Studium und Ausbildung beigebracht. Warum? Weil pauschalen Vorbehalten nicht viel entgegengesetzt werden kann. Sie sind schwer zu widerlegen, gegen sie kann sich kaum jemand verteidigen.

„Zahlreiche (nicht-öffentlichen) Äußerungen“ hört sich nach viel und gewichtig an, besagt aber letztendlich nichts.

Ein Kommentator schreibt in Wir-Form und erklärt auf Nachfrage, „wir“ seien einige Anwohner. Ein anderer Kommentator postet gleich unter dem Pseudonym „bürger und anwohner“. Das ist schwer greifbar, macht es fast unheimlich. Eine unbekannte Zahl von Bürgern und Anwohnern. Einige nennen ihre Namen, andere nicht. Jeder könnte dazugehören. Wer sind sie? Und wieviele?

Allerdings existiere eine Unterschriftenliste gegen die geplante Unterkunft. Wer diese unterzeichnen möchte, könne sich bei 2 der Kommentatoren melden. Die dort dokumentierte Anzahl der Gegner würden die Initiatoren dann später veröffentlichen.

Berichtet wird von „täglich unschönen Geschehnissen an der Schule“ von Diebstählen „bis zu Berichten, dass die Mädchen sich belästigt fühlen“. Das erscheint deutlich greifbarer, zumal es (scheinbar) auf persönlichen Erlebnissen basiert.

Letztendlich jedoch bleibt auch das im Vagen, im Ungewissen.

diffuse Ängste

Möglicheweise bringen die Kommentatoren so diffuse Ängste zum Ausdruck. Es drohten „nicht überschaubare neue und bestimmt massive Probleme“. Es käme „oft auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen“, wie ein Kommentator aus eigener Erfahrung zu berichten weiß.

Ich möchte solche Ängste nicht kleinreden. Und ich möchte den Menschen diese Ängste nicht absprechen. Ich weiß nicht, woher diese Ängste kommen. Ich weiß auch nicht, wogegen sich diese Ängste letztendlich richten. Ist es die Veränderung? Ist es das Unbekannte?

Ich weiß nur, daß ich diese Ängste nicht habe. Keine Ahnung, warum ich sie nicht habe. Ich habe sie einfach nicht. Ich habe keine schlechte Erfahrungen mit Flüchtlingen gemacht. Vielleicht ist es das.

konkrete Bedenken

Neben diesen pauschalen Vorbehalten und diffusen Ängsten äußern die Kommentatoren auch ganz konkrete Bedenken. Das ist gut! Das ist greifbar. Damit kann ich umgehen.

Einen wesentlichen Kritikpunkt sehen die Kommentatoren in der Größe der Unterkunft (250 Menschen). Die „anonyme Massenunterkunft“ würde sich „zu einem sozialen Brennpunkt über viele Jahre“ entwickeln. Die „grundsätzlichen Gegensätze zwischen unterschiedlichen Kulturen“ würde zu Auseinandersetzungen führen. Letztendlich sei „die angrenzende Nachbarschaft maßlos räumlich wie sozial überfordert“.

Ferner würden „die Immobilienpreise im Umfeld der Großunterkunft in großem Stile fallen“. Das sei nicht sozial, „weil die Bürgerschaft nicht in ihrer Gesamtheit“ in die Verantwortung genommen, sondern nur „punktuell eine kleinere Zahl von Durchschnittsbürgern mit unverhältnismäßiger Härte getroffen“ werde.

Außerdem würden große Flüchtlingsheime „Menschen anziehen, die Übergriffe auf Wohnheime als neuen Volkssport“ ansähen.

Es sei falsch, die Flüchtlinge außerhalb des Orts, am Ortsrand, unterzubringen.

Und das „zahlenmäßige Verhältnis“ zwischen denen die kommen und denen die da sind, solle „zueinander passen“.

Die fehlende Einfluß- und Mitwirkungsmöglichkeit der Bevölkerung sei zu bemängeln.

Auch würden Parkplätze wegfallen, die Besucher des Schützenhauses und des Friedhofs benötigten.

Schließlich müßten die „Menschen aus anderen Kutlurkreisen, die mit dem Straßenverkehr bei uns nicht vertraut“ seien, über die gefährliche Bernhardstraße in den Ort gehen.

Und nicht zuletzt: „unsere Kinder“. Wer werde die Kinder beschützen, „die an dieser Stelle täglich dran vorbeigehen?“

Anregungen

Die Kommentatoren beschränken sich nicht auf Kritik, sondern regen konkrete Alternativen an.

Die Unterbringung solle nicht am Ortsrand, sondern im Ortskern erfolgen.

Andere bevorzugen kleinere, „dezentrale Wohneinheiten“. Die Bürger könnten „Patenschaften“ für solche Wohneinheiten übernehmen. So könnten die Flüchtlinge „mit unserer Kultur vertraut gemacht“ und innerhalb der Gemeinde integriert werden.

meine bescheidene Meinung

Ich fände es schön, wenn die Flüchtlinge in Brauweiler verteilt in Wohnungen leben könnten. Ein Dreifamilienhaus, in zwei Wohnungen leben Alteingesessene, in einer Wohnung dann Flüchtlinge. Persönlicher Kontakt ist schnell hergestellt, Freundschaften entstehen, Integration ist kein Thema, da ist einfach ein neuer Nachbar ins Haus gezogen. Der Rest findet sich fast von alleine. Das fände ich wirklich gut.

Nur, dazu bräuchten wir 60 – 80 freie Wohnungen. Kurzfristig. Sehr kurzfristig. Vielleicht finden sie sich ja. Also, wer eine Wohnung (an Flüchtlinge) zu vermieten hat, bitte melden. Das ist ein ernstgemeinter Aufruf.

Die Stadt muß aber auch für den Fall gewappnet sein, daß es auf dem Wohnungsmarkt nicht genügend Wohnungen gibt. Und das kurzfristig. Der Bau mehrerer kleiner Einheiten mag möglich sein, ich weiß es nicht. Wo sind freie Grundstücke, die die Stadt hierfür nutzen kann? Wie es mit den Kosten bei mehreren kleinen Einheiten aussieht, weiß ich ebenfalls nicht. Und spekulieren möchte ich auch nicht.

Eine große Einheit am Dorfrand zu errichten, ist vielleicht nicht optimal. In der Ortsmitte wären die Flüchtlinge im wahrsten Sinne des Wortes nicht an den Rand geschoben. Aber wohin? Der Guidelplatz wird bebaut. Oder umgekehrt: wenn auf dem Guidelplatz Unterkünfte errichtet würden, würde dort auf keinen Fall gebaut. Das möchte keiner, oder?

Auf dem Grundstück Kaiser-Otto-Straße Ecke Ehrenfriedstraße? Dann würden dort die provisorischen Parkplätze wegfallen, die der Ort im Zentrum braucht. Erst recht, wenn der Schotterparkplatz nicht mehr zur Verfügung steht. Aber immerhin, andenken kann man es ja mal. Die Kunden könnten den Parkplatz am Schützenhaus nutzen und zum Einkaufen die paarhundert Meter zu Fuß gehen. Könnten sie, machen sie aber nicht. Stattdessen würden sie zum Einkaufen nach Widdersdorf, Glessen oder Geyen fahren. Für die Geschäfte in der Dorfmitte wäre das eine Katastrophe. Mit dem Wegfall des Schotterparkplatzes wird die Parksituation schon schwierig genug werden.

Ein Kommentator regt an, eine Unterkunft auf dem Gelände der Abtei zu errichten. Im ersten Moment habe ich gedacht: Der hat sie nicht alle. (Entschuldigung, aber das war wirklich mein erster Gedanke). Mit etwas Abstand meine ich, auch diese Lösung kann man zumindest mal andenken. Auf dem Gelände ist einiges an Platz. Da steht auch noch eine alte Turnhalle (ungenutzt?). Andererseits ist die Abtei ein Denkmal. Da kann man nicht einfach mal so, wie man möchte. Und eine weitere Kleinigkeit nicht zu vergessen: Die Abtei gehört dem Landschaftsverband. Der müßte – als Eigentümer – damit einverstanden sein.

Der Parkplatz am Schützenhaus gehört der Stadt (nehme ich an). Vermutlich ist das für die Stadt ein Hauptgrund, diese Fläche in Erwägung zu ziehen. Als Alternative in Brauweiler fällt mir allenfalls noch die Wiese neben der Feuerwehr ein, zwischen Friedhofsweg und Kaiser-Otto-Straße. Auch die gehört der Stadt (glaube ich). Die läge dann etwas zentraler als der Platz am Schützenhaus. Parkplätze fielen auch nicht weg. Ob das ein besser Standort ist? Ich weiß es nicht. Ob die Stadt diesen Standort in Erwägung gezogen hat? Auch das weiß ich nicht. Es gäbe sicher mehr unmittelbare Nachbarn als am Schützenhaus, die sich vielleicht gestört fühlten.

Aber kommt es darauf an? Oder darauf, ob Immobilien wegen der neuen Nachbarschaft an Wert verlieren (falls dem wirklich so ist)? Kommt es darauf an, ob unsere Kinder an der Unterkunft vorbeigehen müssen? Ob wir Flüchtlinge unterschiedlicher Herkunft besser „trennen“ können? Ob die Integration mit 3 Flüchtlingen in der Nachbarschaft besser funktioniert als mit 30?

Integration in unseren Köpfen

Ich habe für die Flüchtlinge in Brauweiler bisher nichts gemacht. Ich habe zweimal Sachen zur Turnhalle gebracht, das zählt nicht.

Aber als ich an der Turnhalle war, ist mir etwas aufgefallen. An der Donatusstraße sind schon Flüchtlingsunterkünfte. Schon seit Jahren. Oder seit Jahrzehnten? So genau weiß ich es nicht. Ich bin unzählige Male dort vorbeigefahren, ohne sie richtig wahrzunehmen.

Dann ist mir eingefallen, daß bis vor einigen Jahren am Friedhofsweg ebenfalls eine Flüchtlingsunterkunft war. Oder ein Asylantenheim (wo ist eigentlich der Unterschied?). Da bin ich täglich vorbeigegangen, ohne sie richtig wahrzunehmen.

Und dann ist mir eingefallen, daß ich auf dem Brauweiler Wochenende einige Male eine junge Familie aus Indien oder Bangladesch oder Sri Lanka (nach meiner laienhaften Einschätzung) gesehen habe. Ich erinnere noch, daß ich sie irgendwie der Unterkunft an der Donatusstraße zuordnete. Sie liefen relativ isoliert durch den Trubel des Brauweiler Wochenendes.

Liegt das daran, daß sie nicht richtig integriert sind bzw. waren?

Ich bin jedenfalls nicht auf sie zugegangen…

Und genau da sehe ich das Problem. Wir erwarten von den Flüchtlingen, daß sie sich integrieren. Ich habe aber den Eindruck, daß die Flüchtlinge zur Integration viel mehr bereit sind als wir.

Die Integration muß in unseren Köpfen beginnen.

Ob die Integration gelingt, liegt vor allem an uns, weniger an den Flüchtlingen.

Natürlich ist es (für uns) einfacher, wenn in unserer unmittelbaren Nachbarschaft nur eine neue Familie zieht. Wir würden mit einer nur kleinen Veränderung konfrontiert. 4 Menschen lerne ich schneller kennen als 250. Aber ob die große Unterkunft eine anonyme Unterkunft wird, liegt an uns. Denn anonym ist sie nur für uns, nicht für die Bewohner. Die, die dort leben, werden sich schnell kennenlernen.

Es liegt an uns, auf die Flüchtlinge zuzugehen, sie aufzunehmen und sie zu empfangen. Patenschaften sind eine gute Idee. Am besten wäre es, wenn jeder Brauweiler Pate wäre.

Sicherlich wird es Probleme geben. Viele fremde Menschen. Für beide Seiten.

Und da kommen sicher nicht nur liebe Leute oder Helden mit Vorbildfunktion. Warum sollten sie bessere Menschen sein als wir?

Es kommen viele Menschen. Es wird sich etwas verändern. Wir müssen uns darauf einstellen. Die Flüchtlinge übrigens auch. Und deutlich mehr als wir. Weil sich für sie deutlich mehr verändert als für uns.

Veränderungen. Veränderungen sind vielleicht unangenehm, jedenfalls haftet ihnen Ungewißheit an. Keiner weiß sicher, was kommen wird. Aber mit Veränderungen haben wir regelmäßig zu tun. Ein Leben lang. Und rückblickend ist alles halb so wild.

Ich kann mich noch daran erinnern, daß zwischen Dansweiler und Brauweiler ein paar Häuser standen, mehr nicht. Inzwischen ist dort eine geschlossene Bebauung. Hinter der Abtei war ein großes Feld. Jetzt stehen da seit vielen Jahren viele Häuser. Vor ein paar Jahren ist der Aldi gekommen. Daneben ist ebenfalls eine ganze Siedlung entstanden.

Im Gewerbegebiet gab es früher RWE, Wischerath und Nikolaus, nicht viel mehr. Schaut es Euch jetzt an. Ein riesiges Gewerbegebiet.

An der Maar in Dansweiler gab es früher ein Asylantenheim. Das wurde Ende der 70-er oder Anfang der 80-er Jahre eingerichtet. Wir haben dann mit denen auf dem Bolzplatz Fußball gespielt. Für uns Kinder war das überhaupt kein Problem.

All diese Veränderung haben wir mitgemacht. Es waren große Veränderungen dabei. Und rückblickend war alles halb so wild.

Vielleicht sollten wir anfangen, nicht von Flüchtlingen, sondern von Gästen oder Nachbarn zu sprechen. Und zu denken. Aus Gästen und Nachbarn werden schneller Freunde.

Ich habe mir ein 3-Stufen-Modell vorgenommen. Für mich. Für meinen Umgang mit den Flüchtlingen Gästen. Stufe 1 und Stufe 2 habe ich schon praktiziert. Mit Erfolg. Neulich sprach mich einer der Gäste im Rewe an. Mit Stufe 3 hadere ich noch, aber das wird schon werden.

Stufe 1: Lächle sie an, wenn Du sie siehst.
Stufe 2: Grüße sie, wenn Du sie siehst.
Stufe 3: Sei bereit, von ihnen zu lernen.

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