Trick 17 mit Selbstüberlistung

2015-05-22-430In diesem Scheidungsverfahren vertrete ich die Ehefrau. Sie lebt in geordneten Verhältnissen, ohne vermögend zu sein. Bei dem Ehemann sieht das anders aus. Er ist Eigentümer mehrerer Immobilien, teils alleine, teils gemeinsam mit seiner Schwester.

Möglicherweise steht der Ehefrau ein Teil dieses Vermögen zu (Zugewinnausgleich). Die Berechnung des Zugewinnausgleichs ist etwas komplizierter, deshalb verzichte ich hier auf die Einzelheiten.

Jedenfalls muß (u.a.) das Endvermögen des Ehemannes ermittelt werden: Was alles gehört ihm am Ende der Ehe und wieviel ist es wert?

Je niedriger das Endvermögen ist, desto weniger muß der Ehemann abgeben. Das führt bei ihm zu der menschlich nachvollziehbaren Neigung, sein Endvermögen als so gering wie möglich erscheinen zu lassen. Das versucht er mit folgenden (vereinfacht dargestellten) Taschenspielertricks:

Trick 17a

Für ein Vermietobjekt nimmt der Ehemann ein Darlehen über 300.000,- € auf. Die Mieteinnnahmen werden auf ein Konto eingezahlt, auf dem Konto sind 30.000,- €. Das Konto und die Mieteinnahmen tritt er zur Sicherheit an die Bank ab.

300.000,- € Schulden abzüglich 30.000,- € Mieteinnahmen macht ein Minus von 270.000,- €. Eine relativ einfache Rechnung.

Der Ehemann rechnet anders. Die 30.000,- € auf dem Konto könnten nicht berücksichtigt werden, da sie an die Bank abgetreten seien. Es blieben demnach nur die Schulden aus dem Darlehen mit 300.000,- €.

Aha.

Die 30.000,- € auf dem Konto sind zwar da, aber auch wieder nicht. Denn sie dienen dazu, das Darlehen abzusichern. Andererseits werden sie vom Darlehen nicht abgezogen, weil sie noch auf dem Konto sind.

Und schon rechnet sich der Ehemann um 30.000,- € ärmer.

Trick 17b

Im Laufe des Scheidungsverfahrens taucht plötzlich ein Konto auf, das ihm und seiner Schwester gehört. Auf dem Konto sind 20.000,- €.

Relativ einfache Rechnung: Das Konto gehört ihm und seiner Schwester, also steht ihm die Hälfte des Guthabens zu. Macht ein Plus von 10.000,- €.

Der Ehemann rechnet anders. Das Konto sei vorher einmal mit 10.000,- € im Minus gewesen. Dann sei von dritter Seite eine Schenkung an seine Schwester erfolgt, die auf dem Konto eingezahlt worden sei. Nur so sei es zu einem Kontostand von 20.000,- € gekommen. Die Schenkung sei aber nicht so berücksichtigen. Also sei der „richtige“ Kontostand ein Minus von 10.000,- €. Dieses Minus lasse er sich gerne anrechnen.

Aha.

Das Geld auf dem Konto ist eigentlich gar nicht da. Weil es ja vorher eingezahlt wurde. Wäre es nicht eingezahlt worden, wäre das Konto im Minus. Und dieses fiktive Minus wird in voller Höhe dem Ehemann angerechnet, obwohl die Schwester ebenfalls Kontoinhaberin ist.

Und schon rechnet sich der Ehemann um 20.000,- € ärmer.

(Kleine Denksportaufgabe für den Ehemann: Wie werden denn die früheren Auszahlungen berücksichtigt? Ohne diese Auszahlungen wäre der Kontostand jetzt noch viel höher… 😉 )

Trick 17c

Für ein Bauvorhaben schließt der Ehemann mit der Bank einen Darlehensvertrag über 380.000,- €. Das Darlehen ist noch nicht ausbezahlt. Macht im Ergebnis 0. Der Ehemann muß noch nichts an die Bank zurückzahlen, weil er von der Bank noch nichts bekommen hat. Oder aber: Zwar hat der Ehemann sich verpflichtet, an die Bank 380.000,- € zu zahlen (Minus), kann aber zunächst einmal die Auszahlung der 380.000,- € von der Bank verlangen (Plus). Minus 380.000,- € plus 380.000,- € macht 0.

Der Ehemann rechnet anders. Er habe sich vertraglich verpflichtet, an die Bank 380.000,- € zu zahlen (Minus). Die Bank solle das Darlehen aber gar nicht an ihn auszahlen, sondern unmittelbar an den Bauunternehmer. Mache im Ergebnis ein Minus von 380.000,- €.

Aha.

Der Ehemann hat also 380.000,- Schulden für ein Darlehen, das noch gar nicht ausbezahlt ist und auch später nicht an ihn ausgezahlt werden soll. Sondern an einen Bauunternehmer, der ihm für das Geld ein Haus bauen wird.

Und schon rechnet sich der Ehemann um 380.000,- € ärmer.

Trick 17d

Gemeinsam mit seiner Schwester hat er Bankkonten. In seiner Vermögensaufstellung gibt er als Wert jeweils den halben Kontostand an (Plus). Das ist auch in Ordnung, weil die Hälfte seiner Schwester zusteht. Gemeinsam mit seiner Schwester nimmt er auch Darlehen auf. Da gibt er dann den vollen Darlehensbetrag als Minus an. Obwohl seine Schwester auch für das Darlehen haftet.

Aha.

Das Plus wird halbiert, weil es auch seiner Schwester zusteht. Das Minus nimmt er in voller Höhe alleine auf sich. Finde den Fehler.

Und schon rechnet sich der Ehemann um 6-stellige Beträge ärmer.

Es ist nicht schlimm, daß der Ehemann solche Taschenspielertricks versucht. Dafür sitzt ihm ein Profi gegenüber, der aufpaßt.

Schlimm ist, daß der Ehemann selber an diese Taschenspielertricks glaubt. Er nimmt sich Vermögen aus seiner linken Tasche, steckt es sich in die rechte Tasche, glaubt, jetzt ist es weg, und rechnet sich so die Welt schön.

Da hat sich jemand selbst überlistet.

Seine Anwältin kann es ihm nicht klar machen (weil er es nicht kapiert oder weil sie es nicht kapiert) oder will es ihm nicht klar machen (weil es einfacher ist, dem Mandanten nur das zu sagen, was er hören möchte).

Ich kann es ihm erst recht nicht klarmachen. Weil ich der böse Anwalt der bösen Ehefrau bin, die ihm etwas wegnehmen will, was er gar nicht hat.

Von einem Vergleich sind wir meilenweit entfernt. Der Ehemann meint, keinen Ausgleich zahlen zu müssen. Nach meinen vorsichtigen (und vorläufigen) Schätzungen beläuft sich der Zugewinnausgleich auf einen deutlich 6-stelligen Betrag zahlen. Die Vorstellungen der Parteien weichen derart voneinander ab, daß es derzeit keinen Sinn macht, weitere Vergleichsverhandlungen zu führen.

Taschenspielertricks sei Dank.

Bleibt nur noch das Gericht.

Das Gericht muß auf der Grundlage von Fakten entscheiden. Dazu bedarf es einer vollständigen Auskunft des Ehemannes. Und dann bedarf es einiger Wertgutachten zu diversen Immobilien. Die kosten. Und die dauern.

Es ist noch ein weiter Weg…

4 Kommentare zu „Trick 17 mit Selbstüberlistung

    1. Lieber Roger Wilco,

      ich gewinne als Anwalt nicht bei einer Scheidung, ich arbeite bei einer Scheidung. Und dafür bekomme ich Geld. Die Bezahlung hat den Vorteil, daß ich diese Tätigkeit dauerhaft ausüben kann. Das ist bei den meisten Berufen so, denke ich.

      Mein Honorar richtet sich nach dem Gegenstandswert (Ausnahme: Vergütungsvereinbarung mit Stundenhonorar). Ich verdiene nicht mehr, wenn die Eheleute sich heftig streiten. Mein Honorar bleibt das gleiche. Nur die Arbeit für mich nimmt deutlich zu.

      Wir Anwälte machen bei einer Scheidung nichts kaputt, wir helfen nur, hinterher aufzuräumen.

      Ich gewinne nicht bei einer Scheidung. Und ich verliere nicht. Ich helfe meinen Mandanten.

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  1. Es soll ja Anwälte geben, und damit meinen ich nicht persönlich den Blog-Erstelle hier, sondern ganz allgemein, soll es ja Anwälte geben, die ihren männlichen, Hauptverdiener- Mandanten diverse Tricks raten, um das Sorgerecht für die Kinder zu erlangen, damit die männlichen Mandaten aus der Nummer “Unterhaltspflicht für die nächsten Jahre raus kommen” im Falle einer Scheidung.

    Und so einfach kann es gehen :
    1. […]

    Ich bitte um Nachsicht, daß ich diese „Tips“ hier nicht veröffentlicht sehen möchte. Sie entsprechen nicht meinem Selbstverständnis als Rechtsanwalt.
    Christoph Schepers

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  2. Hallo, habe mich gerade durch ihren Blog geklickt, jetzt sehe ich nach dem Lesen erst, dass dieser Artikel aus 2015 stammt. Können sie auflösen, was aus der Scheidung geworden ist? Happy (finanzielles) end für Ehefrau?

      3 1/2 Jahre später konnten sich die Parteien auf einen Abfindungsbetrag einigen. Das Verfahren ist abgeschlossen. Die beiden verstehen sich (wieder) gut.
      C.S.

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